Die Geschichte des Islams in Deutschland bis 1960
14.01.2015 07:45
Friedrich-Alexander-Universität Erlangen
Lehrstuhl für Islamwissenschaft
Blockseminar:
Der Islam in Deutschland in Geschichte und Gegenwart
Sommersemester 2000
Die Geschichte des Islams in Deutschland bis 1960
INHALTSVERZEICHNIS
Einführung
Der Islam in Deutschland bis 1960
1. Deutscher Islam – Islam in Deutschland
2. Islam in Preußen: Die
erste Gemeindegründung
Türkische Kriegsgefangene im
17. Jahrhundert
Die Wünsdorfer Moschee
3. Die zweite Gemeindegründung (1922-1945)
4. Muslime im Dritten Reich
5. Die muslimischen Einwanderer nach 1945 – 1960
Literaturverzeichnis
Einführung
Wenn man in der Bundesrepublik
Deutschland von der Anwesenheit des Islams spricht, dann sind meistens
die Muslime gemeint, die ab den sechziger Jahren aus der „islamischen“ Türkei
und Jugoslawien zu Hunderttausenden in die Gebiete am Rhein, Ruhr
und Main ankamen, um hier durch
den wirtschaftlichen Aufschwung Arbeit und
Verdienst für sich und ihre Familien zu finden. Doch die Tatsache ist der, dass die Geschichte des Islams in Deutschland viel
älter ist. Sie beginnt etwa vor rund 250
Jahren. Im folgenden soll eine Übersicht über den geschichtlichen Abriss des
Islams in Deutschland geboten werden.
1. Deutscher Islam – Islam in Deutschland
Zur Zeit leben in Deutschland etwa 3 Millionen Anhänger der
islamischen Religion. Davon sind ungefähr 400.000 Flüchtlinge aus dem
ehemaligen Jugoslawien (Bosnier bzw. Kosovo-Albaner), ca. 350.000 Araber aus Nordafrika und den Staaten des
Mittleren Ostens und ca. 2.1000.000 Türkische Muslime, von denen wiederum ca.
300.000 Alleviten sind. In den letzten Jahren sind ihre religiösen, kulturellen
und sozialen Bedürfnisse zu einem Problem in der Gesellschaft geworden, das von
Gewerkschaften, Politikern und Kirchen oft sehr stritthaft diskutiert wird. Die
Bevölkerung in Deutschland ist sich sehr stark bewusst, dass die muslimischen
Immigranten größtenteils gläubige Menschen sind (74 % von den Muslimen bezeichnen sich als
„gläubige Muslime“[1]), die großen Wert darauf legen, auch in einer von der
christlichen Kultur geprägten Umwelt ihren Glauben zu praktizieren.
Es werden neuerdings viele
Debatten im Bundestag abgehalten, um muslimische Arbeiter und ihre Familien in
die deutsche Gesellschaft zu integrieren, jedoch wird allzu oft vergessen, dass
die Geschichte des Islams in Deutschland nicht erst ab den 60 er Jahren begonnen
hat, sondern wesentlich älter ist. Dieses
Faktum ist vielen unbequem – auch den Kirchen.[2] Trotzdem kann man die
Geschichte des Islams in Deutschland bis in die Regierungszeit des
Preußenkönigs Friedrich Wilhelm I.
zurückverfolgen.
Jedoch muss man die
Geschichte des Islams in Deutschland von der Geschichte der
deutsch-islamischen Begegnungen unterscheiden. Die Begegnungen reichen zurück
auf das Jahr 777, „als Karl der Große auf dem Reichstag zu Paderborn den von
Emir von Cordoba vertriebenen Statthalter von Saragossa, Sulaiman al-´Arabi
empfängt und mit ihm ein Beistandspakt abschließt. Vierzehn Jahre später kommt
es dann zu den legendären Beziehungen zwischen dem Frankenkaiser und dem
’Abbasidenkalifen Harun al-Rashid zu
Bagdad, dem ´Herrscher aus
Tausend und eine Nacht.“[3]
Die eigentliche Geschichte des Islams in Deutschland beginnt rund
vor 250 Jahren, als der Herzog von Kurland im Jahre 1731 dem Preußenkönig Friedrich Wilhelm I. (1713-1740)
zwanzig türkische Muslime als „lange Kerls“ für dessen Elite-Garde zur
Verfügung stellte. Im Jahre 1732 ließ der König in Potsdam für sie einen Saal in der Nähe der neuen Soldatenkirche
(Garnisonskirche) am Langen Stall als Moschee herrichten. Er legte großen Wert
darauf, dass „seine Mohammedaner“ ihren Religiösen Pflichten nachgingen.[4]
Friedrich Wilhelm I. hatte bereits im Jahre 1724 seinen Stallmeister Johannes Jurgutschky an den
Hof Sultan Ahmeds III. (1703-1730)
entsandt, mit der Bitte ihn einige wertvolle Pferde zu verkaufen. Der Sultan
nahm die Bitte gerne entgegen und schenkte dem Preußenkönig obendrein eines der
schönsten und edelsten Pferde aus seinem persönlichen Besitz. Wie es heißt,
haben die türkischen Pferde seinerzeit bei der Berliner Bevölkerung „Aufstehen
und Bewunderung“ hervorgerufen.[5]
Die Geschichte, die durch königliches Dekret im Jahre 1731 in
Potsdam gegründeten Gemeinschaft ist
Teil der preußisch-deutschen Geschichte, denn sie durchlief viele
Stationen bis hin zum Tode von Reichspräsident Paul von Hindenburg im Jahre
1934.
In den Feldzügen Friedrich des Großen und in der Schlacht von
Preußisch-Eylau am 7. und 8. Februar 1807 gegen Napoleons Armee nahmen die
preußisch-deutschen Muslime, die zum Teil Kaufleute, Diplomaten, Forscher,
Entdecker und Schriftsteller waren, als Soldaten teil. Sie waren
ausgerüstet mit königlichen Privilegien
und standen stets im Dienste ihrer deutschen Heimat als auch ihrer Religion
Islam. Sie verstanden sich dabei immer
und stets auch als „Brücke zwischen Okzident und Orient.“
Diese Tradition lebt weiter und sie hat die Nachkriegszeit
unbeschadet überstanden. In der reformierten Gemeindeverfassung des Islamischen
Weltkongresses Deutschland vom 2. Februar 1985 bzw. 14.Juni 1992 heißt es:
„Der Verein Islamischer Weltkongress Deutschland ist
Rechtsnachfolger des am 31. Oktober 1932 gegründeten und am 31. Mai 1933 in
das Vereinsregister beim Amtsgericht
Berlin-Lichterfelde eingetragenen Vereins Islamischer Weltkongress/ Zweigstelle
Berlin, der damaligen Spitzenorganisation für alle im Deutschen Reich lebenden
Anhänger der islamischen Glaubensgemeinschaft.
Damit bekennt sich der Verein Islamischer Weltkongress Deutschland zur
Geschichte, den Traditionen und zum Brauchtum der 1731 durch königliches Dekret
zu Potsdam erfolgten ersten islamischen Gemeindegründung auf deutschem Boden,
als deren Erbe und Wahrer sich der Verein betrachtet.
Der Verein islamischer Weltkongress Deutschland fühlt sich der
Geschichte des Islams in Deutschland verpflichtet und betrachtet sich als
Brücke zwischen Deutschland und der islamischen Welt.“[6]
Der Weg der preußischen und später deutschen islamischen
Religionsgemeinschaft ist in den Akten des im Jahre 1927 zu Berlin gegründeten
Zentralinstitut Islam-Archiv- Deutschland in vier Stationen gegliedert worden:
1. bis 4. Gemeindegründung - von 1731 bis exakt 29. August 1985 - Diese Stationen bis 1960 sollen nun aufgeführt werden.
2. Islam in Preußen: Die erste Gemeindegründung
Die islamische Gemeinde im
Königreich Preußen hatte den Rechtsstatus „die islamische Religion und
ihre Ausübung schützen und die den moslemischen Untertanen angestammte
Lebensform sichern“ mit den Worten des Königs zugesagt bekommen.
Im Jahre 1740 kam an den neuen Thronfolger Friedrich II. - später
„der Große“ genannt – eine Anfrage, ob in der evangelischen Stadt Frankfurt/
Oder ein Katholik das Bürgerrecht erwerben dürfe. Der König schrieb an den Rand der Eingabe:
„Alle Religionen sind gleich und gut, wenn nur die Leute, die sich zu ihnen
bekennen, ehrliche Leute sind. Und wenn die Türken (...) kämen und wollten hier
im Lande wohnen, dann würden wir ihnen Moscheen (...) bauen.“[7]
Der König nahm diplomatische Beziehungen mit Sultan Muhammed II.
(1730-1754) auf. Er wollte ein Handelsvertrag zwischen Preußen und der Hohen
Pforte abschließen, doch dieser Vertrag kam allerdings erst neunzehn Jahre
später im Jahre 1761 zustande. Friedrich
der Große war es auch, der geschlossene muslimische Truppenteile in der
preußischen Armee aufstellte:
Ø 1745, während des Zweiten
Schlesien Krieges (1744-1745), stieß eine Einheit muslimischer Reiter zur
preußischen Armee. Der feindnachbarliche Kurfürst von Sachsen, seinerzeit auch
König von Polen, wollte sich der Furcht bei der Bevölkerung gegenüber den
Tataren („ Tatarenschreck“) erneut bedienen. Er ließ unter den in Ostpolen
siedelnden Tataren eine Reiterarmee ausheben, die brandschatzend in Preußen
einfallen sollte.[8]
Doch es kam anders, denn der
sächsische Kammerherr, der den Auftrag die Löhnung für die tatarischen
Reiter nach Polen zu bringen hatte, verlor das ganze Geld an den Spieltischen
von Warschau. Und ohne Geld kamen auch keine Tataren.
Ø Das Jahr 1760 spielt für die Geschichte des Islams in Deutschland
eine wichtige Rolle. Denn es gab ein folgenreiches Ereignis. In der
zaristischen Armee verbreitete sich das Gerücht, der Sultankalif plane aus
Freundschaft zu Preußen den „Heiligen Krieg“ gegen Russland aufzurufen.[9] Die
Folge war, dass zahlreiche muslimische Soldaten von der russischen Armee zu den
Preußen überliefen. Von diesen Überläufern wurde im Jahre 1762 ein
selbständiges „Bosniakenkorps“ zu 10 Eskadronen (1000 Mann) errichtet. Zum
ersten Mal erscheint der Name eines preußischen Heeres Imam in den Matrikeln
dieser Truppe auf: Es handelt sich um einen Leutnant Osman, Prediger der
„preußischen Mohammedaner“. Das preußische Bosniakenkorps galt im übrigen
innerhalb der Reiterei Friedrichs des Grossen als Mustertruppe.[10]
Ø Die muslimischen Reiter nahmen an vielen Gefechten teil, so auch am 16. August 1762
bei Reichenborn. Da sich die Truppen hier tapfer geschlagen hatten, ordnete der
König bei der Reduktion von 1763 an, dass ein Stamm beibehalten wurde. In den
Urkunden heißt es, die muslimischen Reiter fanden nach der Wiederherstellung des Regiment bei der Revue 1772 „den vollen
Beifall des Königs.“[11]
Ø Am 23. August 1795 wurde den Tataren Neu-Ostpreußens vom König
nicht nur freie Religionsausübung und freien Wohnbezirk, sondern auch ein Korps
Leichte Reiterei gewährt. In einer weiteren Urkunde heißt es dazu: „Als
Dissidenten in der polnischen Adelsrepublik nur eben geduldet, dienten die
Anhänger es Propheten auch in der Katastrophe
von 1806/1807 mit Hingabe einem König, der jede Religion anerkannte und auch schützte.“[12]
Ø Als es in den auf den Siebenjährigen Krieg (1756-1763) folgenden
Friedensjahren nicht gelang, für die stark
verringerten Reihen der muslimischen Truppenteile geeigneten Nachwuchs
zu finden, ließ König Friedrich Wilhelm III. am 14 Oktober 1799 die acht
Schwadronen der Korps mit polnischen Edelleuten auffüllen und formierte sie zu
einem lanzentragenden Regiment, den „Towarcy“. Aus diesen „Towarcy“ bildete
sich später die preußischen Ulanregimenter hervor. Das Wort „Ulan“ leitet sich
von „Oghlan“, den „Oghlanis“ ab. Das Wort aus dem Tatarischen bedeutet soviel
wie „Edelknabe“.[13] Insgesamt dienten in der damaligen preußischen Armee etwa
1000 muslimische Reiter.
Ø Im Februar 1807 erlitt bei Preußisch-Eylau Napoleon die einzige
Niederlage im preußisch-französischen Krieg. Gegenüber ihm standen auch die
muslimischen Einheiten. Die Tapferkeit der
Truppe war nach den vorliegenden Berichten aus jener Zeit motiviert, weil
sie „ihrem König für die Sicherung ihrer angestammten Lebensformen und die
ihnen gewährte Religions- und Glaubensfreiheit danken wollten.“[14]
Ø Das muslimische Regiment wurde 1808 geteilt und damit endet auch
die Geschichte der muslimischen Truppen der preußischen Armee, obwohl die
Tradition der „Bosniaken“ und „Towarczy“ bis zum Jahre 1919 andauerte.
Ø Das erste Grundstück in Deutschland, dass den Muslimen gehörte,
war ein Friedhof.
Der Türkische Gesandte und Botschafter am Berliner Hof Ali Aziz Efendi starb am 29.Oktober 1798.
Daraufhin erwarb König Friedrich Wilhelm III. vom Grafen Podewils ein Gelände
in der Hasenheide (heute Columbiadamm, Blücherstraße), das als Gräberfeld
dienen sollte. Eigentümer dieses Friedhofes war von Anfang an das Osmanische
Reich.[15]. Später wurde Das „Türkische Friedhof“ wegen Platzmangel geschlossen
und gegenüber dem „Dennewitz-Friedhof“ verlegt. In der Mitte des Gräberfeldes
befindet sich eine historische Türbe- eine acht Meter hohe halbmondgekrönte
Gedenksäule, das vom Sultankalifen Abdul Hamid Khan II. geschenkt wurde.
2.1. Türkische
Kriegsgefangene im 17 Jahrhundert
Vor dieser ersten Gemeindegründung in Deutschland, sollte man
aber das Schicksal der türkischen
Kriegsgefangenen aus den Türkenkriegen (1686-1698) nicht vergessen. Ihre Zahl
soll in die Tausende gegangen sein. Wissen über sie ist kaum oder nur gering
vorhanden. Der Orientalist Professor Otto Spies schrieb 1968 in seinem Aufsatz
„Schicksale türkischer Kriegsgefangener in Deutschland nach den Türkenkriegen“
folgendes: „Nachdem solche Türken den christlichen Glauben angenommen hatten,
sind sie in Deutschland sesshaft geworden; sie haben sich mit der deutschen
Bevölkerung vermischt und geheiratet und sind im deutschen Volkstum
aufgegangen. Bei vielen ist das nicht mehr festzustellen, da sie meist bei der
Taufe einen anderen Namen angenommen haben.“[16]
Die getauften Türken sollen sich vor allem hier in Franken, Bayern,
Sachsen und Niederdeutschland niedergelassen haben.
Ein Türke namens Jusuf wurde evangelischer Pfarrer in Rüdisbronn in
Mittelfranken, ein anderer in Heiligenkirchen bei Detmold. Eine andere Türkin
heirate einen Pfarrer.
Dennoch schreibt Spies in seiner Schrift „Eine Liste türkischer
Kriegsgefangener in Deutschland aus dem Jahre 1700“ dass die meisten türkischen
Kriegsgefangenen ihrem islamischen Glauben treu geblieben und in ihre Heimatlände zurückgekehrt sind.
[17]
Ein weiteres Einzelschicksal soll hier noch erwähnt werden. Im
Jahre 1760 schrieb ein Pastor Matthias Jemin, er sei verheiratet gewesen sein
mit Johanne Amalie, verwitwete Rickmeyer, geborene Sternberg, „des getauften
Türken Hassan Tochter“:
„Mein Großvater mütterlicherseits war ein türkischer Pascha aus
Konstantinopel, hieß Hassan Pascha. Er wurde im 17 Jahrhundert vor Belgrad von
einem lippischen General und Grafen gefangen du mit nach Detmold genommen.
Meine Großmutter, Khadyra, war aus Neuhäusel. Ihr Vater, Schiffskapitän, fuhr
früher nach Jerusalem. Bei der Eroberung von Neuhäusel, im Jahre 1685, hat sie
einen Schuss durch die Knie bekommen und sind ihr die Ohrringe ausgerissen
worden, wie noch zu sehen war. Nach ihrer Aussage damals 15 Jahre alt, ist sie
ebenfalls nach Detmold gebracht worden, wo beide auf dem Schlosse in der
christlichen Religion erzogen und verheiratet wurden. Mein Großvater bekam den
Nachnamen Sternberg, die Großmutter wurde Johanne Amelie genannt. Jener war
Kapitänleutnant, ist früh gestorben. Erst auf dem Totenbette hat er den
Herrschaften seine Herkunft gemeldet.“[18]
M.S. Abdullah sagt dazu, dass aus dieser Ehe fünf Kinder
entstammten, von denen eines, eine Tochter, in der Familie des Vaters
Schriftstellerin Dr. Sigrid Hunke einheiratete, der Verfasserin von „Allahs
Sonne über dem Abendland“ und „Kamele auf dem Kaisermantel“[19].
Eines soll noch hinzugefügt werden. Die sogenannte „Rote Moschee“
im Schlosspark zu Schwetzingen war von 1780
bis 1785 im Auftrage des pfälzischen Kurfürsten Carl-Theodor als
Mittelpunkt eines „Türkischen Gartens“ erbaut worden. Sie wurde nach dem Deutsch-Französischen
Krieg von 1870/71 von kriegsgefangenen Zuaven und Turkos, die in einem Lazarett
in Schewetzingen gesundgepflegt wurden, dankbar als Gebetsstätte
angenommen.[20] Dieses Gebäude dient heute gelegentlich den im Ludwigshafen –
Mannheim – Heidelberg lebenden Moslems als
Gebetsstätte.
2.2 Die Wünsdorfer Moschee (1914-1924)
Am 8. November 1898 erklärte Kaiser Wilhelm II. gegenüber dem
Sultankalifen in Damaskus: „Möge seine Majestät der Sultan und die 300
Millionen Mohammedaner, welche auf der Erde verstreut leben und in ihm ihren
Kalifen verehren, dessen versichert sein, dass zu allen Zeiten der Deutesche
Kaiser ihr Freund sein wird.“[21]
Im Jahre 1914 löste schließlich der Kaiser sein Versprechen ein,
und ließ für die „mohammedanischen Gefangenen“ in Wünsdorf eine Moschee mit 23 Meter hohen Minarett bauen.
Im Juni 1915 wurde sie von dem damaligen kaiserlich türkischen
Botschafter am Berliner Hofe, Ibrahim Hakki Pascha, vormals Großwesir der Hohen Pforte, eingeweiht.
Die Zahl der Gefangenen muslimischen Soldaten von 1914 bis 1918
belief sich auf rund 15 000 Mann.
Für die in der Gefangenschaft verstorbenen Muslime in Zehrendorf,
eine Wegstunde von Zossen entfernt, ein Soldatenfriedhof angelegt, auf dem sich
das einzige Mohammeddenkmal der Welt befand.[22]
Nach dem Ersten Weltkrieg diente die Wünsdorfer Moschee den
Berliner Moslems als erste Gebetsstätte. Damals lebten in Berlin Angehörige des
Islams aus 41 Nationen. 1922 hatten sie sich zur „islamischen Gemeinde Berlin“
zusammengeschlossen.[23]
Das Gefangenlager wurde 1922 aufgelöst und im Jahre 1924 musste
schließlich auch die aus Holz gebaute Wünsdorfer Moschee wegen Einsturzgefahr
geschlossen werden. 1925/26 wurde sie abgebrochen.
3. Die zweite Gemeindegründung (1922-1945)
In Deutschland kann man von organisierten islamischen Gemeindeleben
vom Jahre 1922 an sprechen, denn der aus Lahore (Pakistan) stammenden Imam
Maulana Sadr-ud-Din hat in Berlin-Charlottenburg eine deutsche Muslimgemeinde
gegründet. Ebenfalls diese Gemeinde konnte zwei Jahre später in
Berlin-Wilmersdorf eine Moschee eröffnen. Diese Moschee war im Mittelpunkt des
islamischen Lebens in Deutschland und auch für die in den Balkanstaaten lebenden Muslime bis zum Ende
des Zweiten Weltkrieges im Jahre 1945.[24] Die Moschee, die vom Berliner
Architekten Herrmann erbaut wurde, ähnelt
dem „Tadsch Mahal“ bei Agra. Es handelt sich dabei um einen Kuppelbau
von 26 Metern Höhe, flankiert von zwei 32 Meter hohen Minaretten. Moschee und Gemeindezentrum sind von einer Gartenanlage
umgeben.[25]
Im Jahre 1930 änderte die Gemeinde seinen Namen nach
„Deutsch-Moslemische Gesellschaft e.V.“ um, und gab damit die Möglichkeit, dass
auch Christen Mitglieder sein konnten, was für die damalige Zeit sehr
außergewöhnlich war.
Das heute in Soest sesshafte Zentralinstitut
Islam-Archiv-Deutschland wurde ebenfalls in Berlin im Jahre 1927 gegründet.
1942 wurde sie im Vereinsregister eingetragen.
Sie ist nach wie vor die einzige unabhängige islamische Einrichtung in
Deutschland.
Außerdem entstanden zwei weitere Institutionen in Berlin, die heute
noch weiterbestehen. Die erste wurde von 60 muslimischen Flüchtlingen aus der
ehemaligen Sowjetunion gemeinsam mit deutschen Muslimen, eine deutsche Sektion des Islamischen Weltkongresses, am
31. Oktober 1932 gegründet. Alle muslimischen Vereinigungen im damaligen
Deutschen Reich haben sich am 27. Mai 1933 unter deren Dach vereint. Auch jene
deutsche Sektion des Islamischen Weltkongresses war es, dass die erste
islamische Bildungseinrichtung „Islam-Kolloquium“ auf deutschem Boden errichtet
hatte. Diese Bildungseinrichtung erteilte den muslimischen Kindern erstmals
Religionsunterricht. Das Islam-Kolloquium ist heute Teil des Zentralinstituts
Islam-Archiv-Deutschland.[26]
Ungefähr 300 Deutsche bekannten sich in jenen Jahren zum Islam. Die
Gesamtzahl der Muslime betrug ca. 1000. In der preußischen Armee gab es zum
Vergleich bis zu 1500 Soldaten islamischen Glaubens.
Viele deutsche Muslime sind im Zweiten Weltkrieg gefallen, andere
blieben verschollen. Viele der Überlebenden wanderten ins islamische Ausland
ab, andere resignierten und zogen sich aus dem bekennenden Gemeindeleben
zurück. Vorsichtige Erhebungen um das Jahr 1947/48 sprechen von rund 150
deutschen Islamanhängern.[27]
4. Muslime im Dritten Reich
Nachdem im Hauptarchiv der Zentralinstitution in Soest in den letzten Tagen die Urkundenlücken für die Jahre 1933
bis 1945 geschlossen werden konnten, kann man nach Sichtung von etwa 3000
Dokumenten folgende Aussagen treffen[28]:
Ø Im Deutschen Reich lebten seinerzeit rund 3000 Muslime; davon
waren etwa 260 bis 300 deutschstämmig
Ø Die größte islamische Vereinigung war seinerzeit mit 167
Mitgliedern die „islamische Gemeinde zu
Berlin“, gefolgt von der „Deutsch-Muslimischen Gesellschaft“ mit 48 Mitgliedern
und vom „Islamischen Weltkongress“ mit 39 Mitgliedern.
Ø An Gemeinschaften bestanden damals die „Islamische Gemeinde zu
Berlin“, der „Islamische Weltkongress“, die „Deutsch-Muslimische Gesellschaft“,
die „Sufi-Bewegung“, der „Verein für islamische Gottesverehrung“, die
„Ahmadiyya-Mission“ (Qadiani), eine Reihe von Studentengemeinschaften,
muslimischer Landsmannschaften aus Osteuropa und Zentralasien sowie einige arabische politische Parteien wie etwa die
„Ägyptische Nationalpartei“.
Ø Die ab 1941/42 in der deutschen Wehrmacht und Waffen-SS dienenden
muslimischen Soldaten aus Südosteuropa, Osteuropa und Zentralasien hatten sich
deshalb anwerben lassen, weil ihnen versprochen worden war, sie würden zur Befreiung ihrer
unterjochten Heimatländer eingesetzt;
Ø Die Mehrheit der deutschstämmigen Muslime hat sich mit der
Ideologie der NSDAP nie anzufreunden vermocht. Die deutschstämmigen Muslime
wurden ständig von der Gestapo überprüft und beobachtet;
Ø Eigentliche Opfer der Rassenideologie waren die sich zum Islam
bekennenden „Weißen Zigeuner“ aus Bosnien. Sie teilten größtenteils das
Schicksal der Juden.
Ein Beispiel für die Lage, in der sich die deutschstämmigen Muslime
im Dritten Reich befanden, vermag ein Brief der Reichsleitung der NSDAP vom 13.
April 1937 an den Polizeipräsidenten in Berlin zu vermitteln. Dort heißt
es:[29]
“In der oben bezeichneten Angelegenheit teilen wir ihnen mit, dass
sich die Gesellschaft (Deutsch-Muslimische Gesellschaft, d. Red.) aus
Angehörigen der verschiedensten Rassen und Völker zusammensetzt. Die
Zusammenkünfte finden meist in zwangloser Form statt. Besucher sollen vor allem
Professoren, ehemalige Offiziere usw. sein. Bei diesen Zusammenkünften sollen,
sofern die Teilnehmer glauben unter sich zu sein, abfällige Bemerkungen über
den Nationalsozialismus und seine Führer gemacht werden. Es handelt sich bei
der Gesellschaft mehr oder
weniger um einen Unterschlupf für reaktionäre Elemente.
Im übrigen gehören mehrere Juden zur Gesellschaft. Die Gesellschaft
war insbesondere in den Jahren 1933/34 Unterschlupf und Absteigequartier für
Kurfürstendammjuden. Gegen das Weiterbestehen der oben bezeichneten
Gesellschaft bestehen demzufolge hier erhebliche Bedenken, sowohl in formaler
als auch in weltanschaulich-politischer Hinsicht. Die uns übersandten
Unterlagen - 1 Band Akten Nr. 8769 sowie die Satzungen- erhalten Sie anliegend
wieder zurück. Heil Hitler! I.V. Schäfer”.
Die Geschichte des Islam im Dritten Reich offenbart, dass die
damals hier lebenden Anhänger des Islam das Schicksal der einheimischen
Bevölkerung voll geteilt haben. Das Spektrum reicht von bedingungsloser der
NS-Politik, von Mitläufern bis zum passiven Widerstand, von Ablehnung bis
Anbiederung. Bliebe letztlich noch zu erwähnen, dass die mit großen
Versprechungen angeworbenen Soldaten islamischen Glaubens einen hohen Blutzoll
entrichtet haben, zumal die Mehrheit von ihnen nach der Kapitulation 1945 von
den Briten an die Sowjets ausgeliefert und damit in den sicheren Tod getrieben
worden waren.[30]
5. Die muslimischen Einwanderer nach 1945 – 1960
Nach Ursula Spuler-Stegermann, Verfasserin des Buches: „Muslime in
Deutschland -Nebeneinander oder Miteinander“, fängt die Geschichte des Islams
in Deutschland jedoch erst mit den Gastarbeitern an, die seit den sechziger
Jahren in die Bundesrepublik geholt worden waren: „Sie kamen nicht nur aus den
südeuropäischen, sondern zunehmend auch aus muslimischen Ländern, vor allem aus
der Türkei, aber auch aus Marokko und Tunesien (1955 wurde das erste
Anwerberabkommen mit Italien getroffen, 1960 mit Spanien und
Griechenland, 1961 mit der
Türkei, 1963 mit Marokko, 1964 mit Portugal, 1965 mit Tunesien und 1968
mit Jugoslawien).“[31]
Für ihr ist es doch etwas übertrieben, dass die Geschichte des
Islams in Deutschland vor 250 Jahren begonnen hat, denn sie meint: „Was
die Deutschen damals und darüber hinaus
mit den Türken verband, war überwiegend Kriegsgeschichte: Türken kannte man als
Soldaten oder als Kriegsgefangene.“[32]
Man weiß sehr wenig von den Muslimen, die nach 1945 als „Strandgut
des Krieges“ überwiegend in Süddeutschland hängengeblieben sind: Sie waren
muslimische Minderheitsgruppen aus der ehemaligen Sowjetunion, Aserbaidschaner,
Krim- und Wolgataren, Nordkaukasier, Baschkiren, Turkestaner und Usbeken; dazu
Jugoslawen und Albaner. Viele von ihnen
leben mit ihren Familien noch heute unter uns.
Diese ehemaligen Flüchtlinge
verfügen über die am besten organisierte muslimische Gemeinschaft in der
Bundesrepublik. Damals wurden sie von der Bundesregierung und der Bayerischen
Staatsregierung unterstützt, heute jedoch werden einzelne Nationalitätsgruppen
von der „Geistlichen Verwaltung der Muslimflüchtlinge in der Bundesrepublik“
mit Sitz in München betreut.
Einer von den zwei Imams der „Geistlichen Verwaltung“ ist
Cemaleddin Ibrahimovic, der in Nürnberg sein Sitz hat. Er macht Kranken- und
Gefangenenbesuche, hilft die in Not geratenen Familien und sorgt dafür, dass
die Verstorbenen fernab ihrer angestammten Heimat nach ihrem Ritus bestattet
werden. Außerdem betreut er die
muslimischen Flüchtlinge und Asylbewerber im Lager Zirndorf bei Nürnberg. Nach
den vordringlichen Anliegen seiner Gemeinschaft befragt, sagte Ibrahimovic:
„Unsere Zukunft hängt von der Anerkennung der islamischen Religionsgemeinschaft
durch den deutschen Staat ab, sie ist für uns lebenswichtig. Das Schicksal der
muslimischen Minderheit in diesem Lande liegt praktisch in den Händen der
deutschen Behörden. Dabei muss bedacht werden, dass ein großer Teil der muslimischen Flüchtlinge bereits
heute voll in die deutsche Gesellschaft integriert ist. Das lässt sich dadurch
belegen, dass etwa 99 % der männlichen Mitglieder der von der Geistlichen Verwaltung betreuten islamischen
Gemeinden mit deutschen Frauen verheiratet sind.“[33]
Die muslimische Emigrationswelle erreichte im Mai 1945 das damalige
Reichsgebiet. Sie waren hauptsächlich aus Kaukasus geflüchtet und hatten sich
den deutschen Truppen angeschlossen, um
nicht den Sowjets in die Hände zu fallen.
Die religiösen Gruppierungen hatten sich bereits 1945/46 in den
Auffanglagern gebildet. Doch sie lösten sich ganz schnell wieder auf, weil die
wirtschaftlichen Grundlagen fehlten.
Im Jahre 1957 einigten sich die Leiter der nationalen muslimischen
Volksgruppen in der Bundesrepublik auf eine gemeinsame Konstitution. Die
Bundesregierung erklärte sich bereit, die Bestrebungen der Muslime zu
unterstützen unter der Voraussetzung, dass an der Spitze ihrer Gemeinschaft ein
ausgebildeter Theologe stehe, dass die Gemeinschaft sich politischer
Aktivitäten enthalte und dass sie die Seelsorge für die muslimischen
Flüchtlinge übernehme. Der Verpflichtungskatalog nennt außerdem Tätigkeiten wie
die Erteilung eines islamischen Religionsunterrichts an Flüchtlingskinder,
Durchführung der Freitags- und Festtagsgebete in dafür geeigneten Räumen, die
Vornahme von Trauungen, der Beschneidung und die Bestattung der Toten nach
religiösem Brauch.[34]
Natürlich geht die Geschichte des Islams bis zu unserer Gegenwart
weiter, da jedoch mein Thema bis zum Jahre 1960 lautet, möchte ich meine Arbeit
hiermit abschließen.
Ich hoffe, dass ich eine Übersicht über die islamische Geschichte
bis zum Jahre 1960 geben konnte.
Fussnoten:
[1] vgl. Zentrum für Türkei-Studien (Essen): ´Deutsche` Türken
wollen starke Lobby, in: Soester Anzeiger, 13. Nov. 1992, aus dem Islam-Archiv
(Soest) Muslime in Deutschland, in: Moslemische Revue, Heft 4/1995, S.218-222;
[2] Abdullah, Muhammed
S.: Was will der Islam in
Deutschland?, S. 9, Gütersloher Verlags-Haus Mohn, 1993
[3] Abdullah, M.S.: Geschichte des Islams in Deutschland, S. 13
[4] vgl. Abdullah, Muhammed
S.: Was will der Islam in
Deutschland?, S. 9
[5] vgl. Abdullah, M.S.: Geschichte des Islams in Deutschland, S.
13
[6] Abdullah, Muhammed
S.: Was will der Islam in
Deutschland?, S. 10
[7] Abdullah, Muhammed
S.: Was will der Islam in
Deutschland?, S. 11
[8] ebd. S. 11
[9] Abdullah, Muhammed
S.: Was will der Islam in
Deutschland?, S. 11
[10] Abdullah, M.S.: Geschichte des Islams in Deutschland, S. 16
[11] vgl. Abdullah, Muhammed
S.: Was will der Islam in
Deutschland?, S. 12
[12] vgl. ebd. S.12
[13] vgl. Abdullah, M.S.: Geschichte des Islams in Deutschland, S.
16
[14] Abdullah, Muhammed
S.: Was will der Islam in
Deutschland?, S. 12
[15] vgl. Abdullah, Muhammed
S.: Was will der Islam in
Deutschland?, S. 13
[16] Abdullah, M.S.: Geschichte des Islams in Deutschland, S. 18
[17] vgl. ebd. S. 19
[18] Abdullah, M.S.: Geschichte des Islams in Deutschland, S. 20
[19] vgl. Abdullah, M.S.: Geschichte des Islams in Deutschland, S.21
[20] vgl. ebd. S.21
[21] Abdullah, Muhammed
S.: Was will der Islam in
Deutschland?, S. 14
[22] vgl. Abdullah, Muhammed
S.: Was will der Islam in
Deutschland?, S. 14
[23] vgl. ebd. S.14
[24] vgl. ebd. S.15
[25] Abdullah, M.S.: Geschichte des Islams in Deutschland, S. 28
[26] vgl. Abdullah, Muhammed
S.: Was will der Islam in
Deutschland?, S. 15
[27] vgl. ebd. S.16
[28] vgl. DUNIA- Islamische Hochschulzeitschrift, Ausgabe 2,
Sommersemester 1999, S.13
[29] vgl. ebd. S.13
[30] vgl. DUNIA- Islamische Hochschulzeitschrift, Ausgabe 2,
Sommersemester 1999, S.14
[31] U. Spuler-Stegermann, Muslime in Deutschland-Nebeneinander
oder Miteinander, Verlag Herder, 1998, S.36
[32] ebd. S. 33
[33] Abdullah, M.S.: Geschichte des Islams in Deutschland, S. 39
[34] Abdullah, M.S.: Geschichte des Islams in Deutschland, S. 39
LITERATURVERZEICHNIS
Abdullah, M.S.: Geschichte des Islams in Deutschland (Islam und
westliche Welt Band 5), Verlag Styira, Graz/Köln, 1981
Abdullah, M.S.: Was will der Islam in Deutschland?, Gütersloher
Verlagshaus Gerd Mohn, Gütersloh, 1993
U. Spuler-Stergermann: Muslime in Deutschland – Nebeneinander oder
Miteinander?, Herder Verlag, Freiburg, 1998
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